Nach dem Weihnachtsmarkt schnell mit dem E‑Scooter nach Hause fahren — je nachdem wie viele Tassen Glühwein schon getrunken wurden, ist das nicht immer eine gute Idee. Denn wer betrunken mit dem E‑Scooter fährt, kann sich strafbar machen. Es drohen Geld- bis hin zu Freiheitsstrafe, Fahrverbot und Fahrerlaubnisverlust. Ein effektiver Strafverteidiger ist unerlässlich.
LG Halle, Beschluss vom 16.07.2020, 3 Qs 81/20: Dass eine Strafbarkeit wegen betrunkenen E‑Scooter-Fahrens aber nicht automatisch auch zum Entzug der Fahrerlaubnis führt, hat nun das Landgericht Halle entschieden.
Zum Sachverhalt: Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, nachts mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,28 Promille mit einem E‑Scooter gefahren zu sein. Dabei fuhr er Schlangenlinien und wurde von der Polizei angehalten, die eine Blutprobe entnehmen ließ und den Führerschein beschlagnahmte.
Gegen den Beschuldigten wird nun wegen Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB, ermittelt. Zunächst ist wichtig, auf welche Promillegrenze für den E‑Scooter-Fahrer abzustellen ist. Zu unterscheiden ist zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit. Bei relativer Fahruntüchtigkeit müssen Ausfallerscheinungen zur Alkoholisierung hinzutreten, damit sich der Fahrer nach § 316 StGB strafbar macht. Autofahrer gelten ab 0,3 Promille als relativ fahruntüchtig, ab 1,1 Promille tritt unabhängig von Fahrfehlern absolute Fahruntüchtigkeit ein. Fahrradfahrern wird etwas mehr zugemutet, solange sie sicher im Sattel sitzen: Bei ihnen tritt absolute Fahruntüchtigkeit erst ab 1,6 Promille ein. Die überwiegende Rechtsprechung lässt jedoch die Promillewerte eines Autofahrers für den Elektrorollerfahrer gelten.
Das Landgericht Halle hatte sich zunächst jedoch nur mit der Frage zu beschäftigen, ob dem Beschuldigten überhaupt gemäß §§ 111a Abs.1; 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen werden darf. Die Trunkenheitsfahrt begründet eine Indizwirkung, im Regelfall soll die Fahrerlaubnis bei Trunkenheit im Verkehr durch einen Kraftfahrzeugführer entzogen werden. Gemäß § 111a Abs. 1 StPO ist dies auch schon vor einer Verurteilung bei dringendem Tatverdacht möglich. Doch stellt die Trunkenheitsfahrt mit dem E‑Scooter einen solchen Regelfall dar?
Das Landgericht Halle verneinte die Frage aus folgenden Gründen: Zwar gelten E‑Scooter nach dem Gesetz als Kraftfahrzeuge. Jedoch unterschieden sie sich erheblich von „klassischen“ Kfz wie Pkws, Lkws und Motorrädern, was zu einer wesentlich verringerten abstrakten Gefährlichkeit führe. Die E‑Scooter wiegen nur 20 bis 25 Kilo und erreichen maximal Geschwindigkeiten von 20 km/h. Damit seien sie eher mit einem Fahrrad vergleichbar. Dies gelte zudem auch hinsichtlich der Anforderungen daran, den E‑Scooter sicher zu lenken und das Gleichgewicht zu halten. Bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad greift jedoch gerade nicht die Indizwirkung für einen Fahrerlaubnisentzug nach § 69 StGB, was auch im Fall der E‑Scooter zu berücksichtigen sei. Insoweit könne nicht ohne Weiteres die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB herangezogen werden.
Vielmehr verlangt das Gericht eine Prüfung der Umstände im Einzelfall daraufhin, ob die Trunkenheitsfahrt mit der mit einem „klassischen“ Kraftfahrzeug vergleichbar sei. Da der Beschuldigte nur eine sehr kurze Strecke gefahren sei und als Ausfallerscheinung lediglich Schlangenlinien fuhr, verneinte es eine solche Vergleichbarkeit. Der Entzug der Fahrerlaubnis hatte somit keinen Bestand.
Die Frage ist in der Gerichtsbarkeit weiterhin umstritten. Während einige Gerichte ähnlich wie das Landgericht Halle entscheiden, wenden andere die Regelvermutung an und bestätigen den Entzug der Fahrerlaubnis. Nicht nur aufgrund der Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Rechtsprechung ist eine effiziente Strafverteidigung im Fall einer Alkoholfahrt ratsam. Denn selbst wenn sich die hier besprochene Rechtsprechung auch obergerichtlich durchsetzt, bleibt das Risiko, dass das Gericht dennoch im Einzelfall eine mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen feststellt und die Fahrerlaubnis entzieht, bestehen.