§ 251 StGB bestraft den Raub, bei dem das Opfer verstirbt, mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Der Bundesgerichtshof hat nun erstmals entschieden, dass auch im Falle eines Behandlungsabbruchs des Opfers im Einklang mit seiner Patientenverfügung eine Verurteilung nach § 251 StGB erfolgen kann. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Strafandrohung ist eine effektive Strafverteidigung in Fällen wie dem folgenden essentiell.
BGH, Beschluss vom 17.03.2020, 3 StR 574/19: Der Bundesgerichtshof hat in einem im November veröffentlichten Beschluss entschieden, dass ein Räuber auch dann wegen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) bestraft werden kann, wenn der Tod seines Opfers unmittelbar darauf zurückzuführen ist, dass dieses in seiner Patientenverfügung einen Behandlungsabbruch anordnete.
Der Sachverhalt: Das Opfer, eine 84-jährige Frau mit alterstypischen Vorerkrankungen, hatte sich 600 Euro Bargeld am Geldautomaten abgehoben. Dieses verstaute sie anschließend in ihrer Handtasche, welche sie in den Korb ihres Rollators legte und den Gurt um dessen Griff schlang. Der Täter zog so heftig an der Handtasche, dass der Dame die Gehhilfe entglitt, sie fiel und mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug. In der Folge war eine Gehirnoperation erforderlich, nach der das Opfer nicht mehr zu Bewusstsein kam. Die Ärzte beschlossen aufgrund einer vorliegenden Patientenverfügung, die Behandlung abzubrechen, sodass die Frau schließlich dreizehn Tage nach der Tat verstarb.
Unklar war bis dato das Vorliegen des sog. Unmittelbarkeitszusammenhangs: Auch aufgrund der massiven Strafandrohung liegt ein Raub mit Todesfolge, ebenso wie zum Beispiel eine Körperverletzung mit Todesfolge oder Brandstiftung mit Todesfolge erst dann vor, wenn sich im Tod des Opfers gerade die Gefahr realisiert, die dem Grunddelikt (hier dem Raub) typischerweise anhaftet. Fehlen kann ein solcher Zusammenhang vor allem dann, wenn eigenverantwortliche Handlungen des Opfers oder Dritter derart dazwischentreten, dass der Tod dem Täter nicht mehr „als eigenes Werk“ zuzurechnen ist.
Im aktuellen Fall stellte sich mithin die Frage, ob der Tod des Opfers noch als Folge der Gewaltausübung durch den Täter zu werten war, oder ob die Entscheidung gegen eine weitere Behandlung eine „neue“ Todesursache gesetzt hat.
Der Bundesgerichtshof rechnet den Todeseintritt trotz des Behandlungsabbruchs durch Dritte dem Täter zu und beantwortet erstmals die Frage, ob eine Patientenverfügung den Unmittelbarkeitszusammenhang unterbricht.
Er verneint dies aus folgenden Gründen:
Nicht immer führe das Hinzutreten weiterer Umstände dazu, dass eine Anwendung des § 251 StGB ausgeschlossen ist, vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an.
Auch wenn sowohl die Operation als auch die Vorerkrankungen des Tatopfers für dessen Tod eine Rolle spielten, so begründete diese keine eigenständige Todesgefahr. Denn schließlich habe das Verhalten des Täters die Operation erst nötig gemacht.
Vor allem habe der Verzicht auf eine „Maximaltherapie“ keine neue Todesursache gesetzt, sondern lediglich der vom Täter geschaffenen Gefahr nicht grenzenlos entgegengewirkt. Die Entscheidung dafür ergab sich aus der Patientenverfügung. Diese ist nicht zuletzt Ausdruck des verfassungsrechtlich verbürgten Rechtes auf Selbstbestimmung im medizinischen Bereich sowie des jüngst vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Rechtes auf selbstbestimmtes Sterben, und sei somit schon aus diesem Grund auch in der strafrechtlichen Bewertung zu beachten.
Schließlich müsse der Täter bei einem betagten Opfer auch mit schwersten und tödlichen Verletzungen rechnen, ebenso wie mit dem Vorliegen einer Patientenverfügung, die den Anschluss an lebenserhaltende Maßnamen untersagt.
Das Gericht bestätigte so die Verurteilung des Landgerichts Krefeld zu elf Jahren Freiheitsstrafe.
Die Überlegungen des BGH lassen sich auf andere Straftaten, wie die schwere Körperverletzung oder die Brandstiftung mit Todesfolge übertragen.
Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie uferlos die Praxis heute Zurechnungszusammenhänge zieht.
Freilich ist es Aufgabe der Strafverteidigung der erkennenden Strafkammer darzulegen, dass der Zurechnungszusammenhang eben durchbrochen wurde und der Todeseintritt dem Angeklagten nicht mehr zuzurechnen ist. So stellt auch der BGH auf die Umstände des Einzelfalles ab und lässt explizit offen, ob die Bewertung anders ausfällt, wenn das Raubopfer vernünftigen Gründen zuwider eine erfolgsversprechende Handlung ablehnt.